Ernährung mit Diabetes Typ 1: Eigenschaften, Unterschiede und Herausforderungen

Frau isst einen Salat und führt die Gabel zum Mund.

Leckeres Essen gehört zu den schönsten Genüssen im Leben. Und weißt du was? Dein Diabetes empfindet das genauso. Auch er möchte mit Köstlichkeiten verwöhnt werden. Denn was dir gut tut, tut auch ihm gut. Lass dich nicht von klassischen Mythen bezüglich der Ernährung bei Diabetes Typ 1 verunsichern.

Fakt ist: Du kannst alles essen und trinken, solange du dabei auf dich Acht gibst und die richtigen Maßnahmen triffst.

Räumen wir auf: Mythen rund um Diabetes und Ernährung

“Diabetes bekommt, wer zu viel Zucker nascht”, “Süßigkeiten sind tabu”, “Menschen mit Diabetes sollten spezifische, für Diabetiker geeignete Lebensmittel essen”.

Jeder dieser immer noch weit verbreiteten Mythen ist falsch. Lösen wir sie auf:

Der Mythos, Zuckerkonsum sei die Ursache für Typ 1 Diabetes, hält sich auch deshalb hartnäckig, weil man an manchen Stellen immer noch das Synonym "Zuckerkrankheit" für Diabetes hört oder liest. Der Begriff ist jedoch schlichtweg irreführend und unzutreffend, denn niemand entwickelt Diabetes nur, weil er "zu viel Zucker" gegessen hat.

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden, sodass sie kein Insulin mehr produzieren kann. Meist geht die Diagnose auf eine komplexe Wechselwirkung zwischen genetischen Faktoren und äußeren Umwelteinflüssen zurück. Die genauen Ursachen sind bislang noch nicht abschließend erforscht.

Für Diabetes Typ 2 ist eine genetische Veranlagung verantwortlich, jedoch handelt es sich hier nicht um eine Autoimmunerkrankung, sondern um eine erhöhte Insulinresistenz. Nach aktuellem Stand der Forschung kann eine Kombination aus Übergewicht, Bewegungsmangel und genetischen Faktoren das Risiko erhöhen, an Typ 2 Diabetes zu erkranken.

Betroffene benötigen keine spezifischen Diabetes- oder Diät-Lebensmittel, sondern genau wie jeder andere Mensch einen guten Mix aus gesunden Zutaten. Im Übrigen ist es Lebensmittelherstellern seit 2012 verboten, ihre Produkte mit Hinweisen wie "Für DiabetikerInnen geeignet" zu kennzeichnen. De facto gibt es also keine Lebensmittel speziell für Menschen mit Diabetes.

Ob mit oder ohne Diabetes: Eine vollwertige, ausgewogene Mischkost ist einer DER Schlüssel zu nachhaltigem Wohlbefinden. Ernähre dich abwechslungsreich und passe die Mahlzeiten an deine individuellen Voraussetzungen an. Diese Voraussetzungen betreffen deine gesundheitliche Verfassung und Diabetes-Therapie, aber auch deine Vorlieben und Wünsche.

Wenn du dich lieber vegetarisch oder vegan ernährst, dann tu es. Wenn du Appetit auf eine Pizza hast, dann gönn sie dir. Wenn dir beim Gedanken an einen süßen Kuchen oder Pudding schon das Wasser im Mund zusammenläuft, dann gib der Versuchung bei der nächsten Gelegenheit auch mal nach.

Was wir sagen wollen: Dir steht die gesamte kulinarische Vielfalt offen. Bei den sogenannten Sünden kommt es auf die Menge an, frei nach dem Sprichwort "Die Dosis macht das Gift.".

Entscheidend ist, dass du deinen Speiseplan mit deinem Blutzuckerspiegel in Einklang bringst - und die kulinarische Vielfalt damit umso mehr genießen kannst. Das gelingt dir mit etwas Übung wesentlich leichter, als du jetzt vielleicht denkst. Und die Freude am Essen bleibt dauerhaft erhalten - sowohl in der Findungsphase am Anfang nach der Diagnose, als auch dann, wenn du sozusagen im (Food-)Flow bist.

Wieder unbeschwert essen!

Warum Menschen mit Diabetes Typ 1 mehr auf ihre Ernährung achten sollten

Bei Typ 1 Diabetes kann die Bauchspeicheldrüse kein Insulin produzieren. Das Hormon Insulin ist jedoch elementar, um die durch die Nahrung aufgenommene Energie (Glukose) vom Blut in die Zellen zu befördern. Ansonsten steigt der Blutzuckerspiegel zu stark an. Deshalb müssen sich Menschen mit Diabetes Typ 1 Insulin spritzen, um den Blutzucker zu regulieren.

Je nach Zusammensetzung der Lebensmittel variieren die Qualität, Art und Menge der beim Essen und Trinken aufgenommenen Energie. Um die Insulindosis optimal anpassen zu können, solltest du genau wissen, was mit der jeweiligen Mahlzeit in deinen Organismus kommt. Relevant sind dabei Ballaststoffe, Kohlenhydrate sowie Fette und Proteine.

Das bedeutet für dich im Wesentlichen:

  1. Überlege dir, welche Wirkung deine Mahlzeit auf deinen Blutzuckerspiegel haben wird.

  2. Behalte deinen Blutzuckerspiegel dabei gut im Auge.

  3. Berechne (oder schätze) die Energie - insbesondere den Kohlenhydratanteil - jeder deiner Mahlzeiten.

  4. Passe die Insulindosis jeweils daran an.

Wir gehen auf all diese Punkte noch näher ein. Doch am wichtigsten ist: Wenn du dich ausgewogen ernährst und eine gute, auf deinen Organismus, die Mahlzeiten und deinen Alltag abgestimmte Insulineinstellung findest, schaffst du eine tolle Basis für einen weitestgehend stabilen Blutzuckerspiegel und für dein allgemeines Wohlbefinden.

Apropos stabiler Blutzuckerspiegel: Ein gesunder Speiseplan kann deine Time in Range und deinen HbA1c-Wert positiv beeinflussen. Deshalb solltest du hier unbedingt weiterlesen und dich gründlich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen.

Unterschiede in der Ernährung bei Typ 1 und Typ 2 Diabetes

Bei Typ 2 Diabetes kann die Bauchspeicheldrüse den Insulinbedarf nicht ausreichend decken, da die Wirkung des Hormons blockiert wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer erhöhten Insulinresistenz. Die Folge sind zu hohe Blutzuckerwerte. Übergewicht begünstigt eine erhöhte Insulinresistenz. Deshalb stehen bei Typ 2 eine kaloriengepasste Ernährung, mehr Bewegung und bei Bedarf eine medikamentöse Behandlung noch mehr im Vordergrund als bei Typ 1.

Häufig können Betroffene ihre Insulinresistenz vermindern und die körpereigene Insulinproduktion verbessern, indem sie sich gesünder ernähren und regelmäßig bewegen. Durch eine derartige Veränderung des Lebensstils müssen Menschen mit Diabetes Typ 2 oft weniger Insulin spritzen. Teilweise oder gerade zu Beginn kommen sie meistens sogar ganz ohne Insulintherapie aus. Bei einem schweren Verlauf von Diabetes Typ 2 oder bspw. einer Adipositas-Erkrankung helfen mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung alleine nicht mehr aus, hier braucht es weitere Maßnahmen für eine erfolgreiche Therapie.

Menschen mit Typ 1 Diabetes hingegen benötigen Insulin, da sie selbst keines mehr produzieren. Sie sollten in erster Linie auf die Wirkung von Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Bewegung achten und die Insulinmenge stets gezielt darauf abstimmen. Eine ausgewogene Ernährung ist bei beiden Diabetes-Typen unter allen Umständen elementar für eine hohe Lebensqualität.

Herausforderungen bei der Ernährung im Alltag

Auch wenn Menschen mit Diabetes prinzipiell alles essen können, ist es für sie besonders wichtig, sich mit ihrer Ernährung zu beschäftigen und sich gut zu überlegen, was auf den Teller kommt.

Du solltest gut darüber informiert sein, wie sich verschiedene Lebensmittel auf deinen Blutzucker auswirken. Mit dem nötigen Wissen kannst du zum einen ausgewogene Mahlzeiten zubereiten und zum anderen die Insulindosierung optimal abstimmen. Das klingt komplizierter, als es ist. Mit etwas Übung hast du den Dreh schnell raus.

Verfügst du erst einmal über das erforderliche Know-how, geht es noch darum, es auch in die Tat umzusetzen. Konkret bedeutet das:

  • Überwache deinen Blutzuckerspiegel täglich so gut es geht. 

  • Wähle die Zutaten für deine Mahlzeiten bewusst aus.

  • Berechne für jede Mahlzeit die Kohlenhydrat- und die Fett-Protein-Einheiten (KE oder KHE - beide Abkürzungen sind gängig, wir nutzen im weiteren Verlauf des Textes KE - und FPE).

  • Dosiere das Insulin entsprechend.

Die richtige Insulindosierung hängt im Übrigen nicht allein vom jeweils aktuellen Blutzuckerwert und den Mahlzeiten ab. Auch die Art und Weise, wie du den Tag verbringst, spielt eine Rolle. Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob du Sport treibst oder nicht, ob du noch eine lange, anstrengende Einkaufstour unternimmst oder nur auf dem Sofa entspannst.

Natürlich sind all das Gedanken, die sich Menschen mit einer funktionierenden Insulinproduktion nicht machen müssen. Doch das Positive ist: Durch die Herausforderungen, vor die dich dein Diabetes stellt, baust du eine intensive Beziehung zu deinem Körper auf. Du lernst, ihn zu verstehen und auf ihn Acht zu geben. Dadurch gelingt es dir viel besser, auf seine Signale richtig zu reagieren. Mehr Achtsamkeit und eine bewusste Ernährung können sogar deine Lebenserwartung erhöhen.

Zusammengefasst sind für einen möglichst reibungslosen Ernährungsalltag mit deinem Diabetes Typ 1 drei Punkte bedeutsam:

  1. Vorbereitung: Informiere dich über Lebensmittel und ihre Auswirkungen auf den Blutzucker.

  2. Planung UND Spontanität: Das Planen deiner Mahlzeiten gibt dir mehr Sicherheit und Verlässlichkeit. Wenn du spontan essen willst, ist es umso wichtiger, dass du dich gut mit Lebensmitteln und ihrer Wirkung auskennst (siehe Punkt 1).

  3. Routine: Je disziplinierter du gerade zu Beginn beim Essen bist, desto besser. Routinen wie regelmäßige Essenszeiten oder ähnliche Mahlzeiten führen zu weniger unerklärlichen Schwankungen. So kannst du von den Auswirkungen der unterschiedlichen Lebensmitteln stetig lernen. 

All das heißt aber nicht, dass du auf die Freude von Restaurantbesuchen oder spontanen Lieferando-Bestellungen verzichten musst. Es ist zwar sinnvoll, hauptsächlich selber zubereitete Gerichte zu essen, um die Zutaten ganz genau zu kennen. Dennoch kannst du ruhig auch auswärts essen gehen. Solange du deinen Blutzucker im Auge behältst und bei Bedarf die Insulindosis korrigierst, steht dem kulinarischen Genuss bei deinem Lieblingsitaliener, -asiaten oder -mexikaner nichts im Weg - ob zuhause oder auf Reisen.

Ähnliches gilt auch für die Frage, was du auf der Arbeit, in der Schule, Ausbildung oder Uni in der Mittagspause isst. Klar ist es dahingehend ebenso von Vorteil, wenn du dir zu Hause selber etwas zubereitest und diese Mahlzeiten mitnimmst - Stichwort Meal-Prep. Brötchen und andere Snacks aus dem Supermarkt kommen aber ebenso in Betracht. Angaben zu den enthaltenen Nährstoffen helfen dir, die KE und FPE zu bestimmen.

Aber auch Stress und positive sowie negative Emotionen lassen uns manchmal unsere Disziplin ein Stück weit über Bord werfen. Keine Sorge, das ist vollkommen in Ordnung. Es darf auch mal Tage geben, an denen du mehr auf dein Gefühl als auf deinen Verstand hörst. Also setz dich nicht zu sehr unter Druck, sondern erlaube es dir, einfach Mensch zu sein.

Unterschiede in der Ernährung je nach Therapieform

Um Über- und Unterzuckerung zu vermeiden, ist es elementar, dass du deine Ernährung auf deine Insulintherapie abstimmst - und andersrum. Prinzipiell unterscheidet man die konventionelle und die intensivierte Therapie.

Die konventionelle Therapie kommt aufgrund ihres starren Plans mit festgelegter Insulindosis, festen Mengen an blutzuckerwirksamen Kohlenhydraten sowie Spritz- und Esszeiten aber kaum noch zum Einsatz. Deshalb konzentrieren wir uns ganz auf die intensivierte Therapie. Sie erfordert zwar eine größere Eigenverantwortung; dafür kannst du deine Essenszeiten und -mengen jedoch selber bestimmen und auch variieren.

Die intensivierte Insulintherapie nutzt das sogenannte Basis-Bolus-Konzept. Deinen grundlegenden Insulinbedarf [Basis] deckst du bei der Pen-Therapie ein bis zweimal pro Tag ab, indem du eine vordefinierte Menge an Basalinsulin spritzt, die du mit deinem Ärzte-/Ärztinnen-Team ermittelt hast. Bei der Pumpentherapie gibt die Pumpe kontinuierlich Basalinsulin ab. Zusätzlich injizierst du sowohl bei der Pen- als auch bei der Pumpentherapie vor jeder Mahlzeit schnell wirksames Insulin [Bolus]. Die Bolusdosis hängt von deinem aktuellen Blutzuckerwert, den Kohlenhydrat- und Fett-Protein-Einheiten der jeweiligen Mahlzeit sowie deinem jeweiligen KE-Faktor ab. Die KE- / FPE-Einheiten musst du schätzen oder berechnen. Wie das am besten geht, erklären wir in den Kapiteln "Kohlenhydrate", "Fette und Proteine".

Du kannst die Insulinzufuhr auf drei verschiedene Arten regeln:

  • Pen/Spritzen

  • Pumpe

  • AID- bzw. hybrides Closed-Loop-System (AID = automatische Insulindosierung)

Insulinpens ähneln großen Kugelschreibern. Sie haben sehr kurze und dünne Kanülen. Die meisten AnwenderInnen empfinden das Spritzen von Insulin mit einem solchen Pen als relativ unkompliziert und nahezu schmerzfrei. Morgens und/oder abends deckst du deinen basalen Insulinbedarf mit langsamem oder Mischinsulin. Außerdem spritzt du vor jeder Mahlzeit oder zur Korrektur schnell wirksames Insulin.

Wählst du das Pumpensystem, entfällt das eigenhändige Spritzen. Durch ein Infusionsset bestehend aus einem Katheter und einer Injektionsnadel aus Stahl oder Teflon ist die kleine Pumpe ständig mit deinem Körper verbunden. Sogenannte Patch-Pumpen kommen ohne Schlauch aus - sie werden direkt am Körper getragen. Du kannst Insulinpumpen so programmieren, dass sie kontinuierlich eine bestimmte Insulinmenge in deinen Körper abgeben, um deinen Grundbedarf zu decken. Zu den Mahlzeiten oder zur Korrektur benötigst du ebenfalls Bolusinsulin. Dieses kannst du per Knopfdruck, über das Pumpenmenü, das Handy oder mit einer Fernbedienung abgeben. Die Pumpe ermöglicht dir im Allgemeinen eine flexiblere Insulinversorgung.

AID- beziehungsweise Closed-Loop-Systeme, sind die neueste technische Entwicklung im Bereich der Insulinpumpentherapie. Dabei ist die Pumpe an einen Continuous-Glucose-Monitoring-Sensor (CGM-Sensor) gekoppelt, der kontinuierlich deinen Gewebezucker misst. Diese Sensoren kannst du je nach Hersteller am Oberarm, Bein und/oder Bauch befestigen. Anhand der übermittelten Gewebezuckerwerte gibt die Pumpe automatisch und bedarfsgerecht in Minutenabständen Insulin in deinen Körper ab. Um dir das Bolusinsulin zuzuführen, trägst du vor den Mahlzeiten die Kohlenhydrat- und Fett-Protein-Einheiten in das System ein. Das Praktische an CGM-/AID-Systemen: Du kannst einstellen, dass du bei zu hohen oder zu niedrigen Werten rechtzeitig eine Warnmeldung erhältst, um gegebenenfalls einen Korrekturbolus zu setzen. Manche AID-Systeme geben auch automatisch Korrekturinsulin ab.

Die genaue Vorgehensweise bei der Insulinzufuhr unterscheidet sich also in Abhängigkeit vom genutzten System. Doch die grundlegenden Schritte zur Steuerung deines Blutzuckerspiegels beim Essen und Trinken sind immer die gleichen.

Hier das kleine 1x1 im Überblick:

  1. KE abwiegen, berechnen oder schätzen.

  2. FPE schätzen oder berechnen. Hier ein Link zu einem FPE-Rechner von profet.de. Gegebenenfalls Erinnerung/Wecker für FPE-Bolus stellen.

  3. Als Pen-NutzerIn die Insulineinheiten mit dem eigenen Faktor berechnen; als Pumpen-AnwenderIn die KE in das System eintragen.

  4. Spritz-Ess-Abstand (SEA) beachten.

  5. Langsam und entspannt essen.

  6. Nach dem Essen den Blutzucker genau im Auge behalten und prüfen, ob alles passt. Achtung: FPE kommen erst sehr viel später an!

  7. Bei Bedarf die FPE-Einheiten abgeben oder mit einem Korrekturbolus reagieren.

Klappt es trotz aller Mühe noch nicht?

Ernährung mit Diabetes Typ 1 - darauf solltest du achten

Fassen wir das Wichtigste noch einmal zusammen: Du kannst alles essen. Ernähre dich ausgewogen mit einem bunten Mix aus gesunden Zutaten. Dein Speiseplan sollte viel Obst und Gemüse sowie generell möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel umfassen. Deshalb eignen sich beispielsweise Vollkornprodukte besser als Weißmehlprodukte. Fast Food wie Pizza, Burger, Pommes oder Sushi, Fertiggerichte, Süßigkeiten und Alkohol sind mit Diabetes Typ 1 aufgrund ihres schnellen und starken Einflusses auf den Blutzucker zwar etwas schwieriger in der Handhabung, in Maßen jedoch absolut vertretbar.

Bevorzuge Lebensmittel mit langkettigen Kohlenhydraten und einer geringen Glykämischen Last (GL), damit dein Blutzucker langsamer und weniger ansteigt. Lebensmittel mit schnellen Kohlenhydraten haben aber genauso ihre Berechtigung in deinem Ernährungsalltag. Konsumiere sie wohldosiert und darüber hinaus gezielt, wenn es darum geht, einer Unterzuckerung entgegenzuwirken. In solchen Situationen bist du mit klassischem Traubenzucker oder Flüssigem wie einem Fruchtsaft oder Softdrink am besten beraten.

Enthalten kohlenhydrathaltige Mahlzeiten ausreichend Ballaststoffe, steigt dein Blutzucker langsamer an. Zudem sind Vitamine und Spurenelemente bedeutsam für einen gut regulierten Glukosespiegel. Achte besonders darauf, genügend B-Vitamine und Vitamin C sowie Chrom und Zink aufzunehmen.

Was entscheidend ist: Behalte deinen Blutzucker im Auge und stimme die Insulinmengen auf deine Mahlzeiten ab. Dazu berechnest du die Kohlenhydrateinheiten (KE) oder Broteinheiten (BE) und bei besonders fett- und/oder proteinreichen Lebensmitteln auch die Fett-Protein-Einheiten (FPE). Sobald du geübter bist und mehr Erfahrung hast, kannst du die KE/BE und FPE einfach schätzen. Gemeinsam mit deinem Diabetes-Team ermittelst du deine idealen KE-/BE- und FPE-Faktoren für jede Tageszeit. Diese benötigst du, um die optimale Insulindosis zu bestimmen. Hierbei fließen auch deine üblichen Alltagsaktivitäten mit ein. Beispielsweise variiert der Faktor je nachdem, wie viel und intensiv du dich bewegst. 

Beachte auch den Spritz-Ess-Abstand (SEA): Wann du dir das Insulin zuführen solltest, hängt vor allem vom verwendeten Insulin, von der Mahlzeit und von deinem Ausgangswert des Blutzuckers ab - je höher, desto länger der SEA. Zudem gilt: Je schneller die KE ins Blut gehen, desto länger der SEA. Wir wollen an dieser Stelle keine konkreten Angaben machen, da zu viele individuelle Aspekte mit hineinspielen. Zur groben Orientierung: Das Insulin für die KE oder BE gibst du vor der Mahlzeit ab. Fett- und proteinreiche Speisen lassen den Blutzucker verzögert ansteigen, meist erst nach mehreren Stunden. Daher spritzt du das Insulin für die FPE nicht zusammen mit dem für die KE/BE, sondern später. In unserem Mentoring-Programm haben wir schon viele Male den richtigen SEA für die unterschiedlichsten Situationen und Mahlzeiten ermittelt. Melde dich gerne, ansonsten kann dir hier auch dein Diabetes-Team dabei helfen.

Frisch mit Diabetes Typ 1 Diagnostizierten raten wir, zu Beginn überwiegend auf ähnliche Mahlzeiten zu setzen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen gelingt es so meist besser und schneller, den Blutzuckerspiegel zu regulieren, da sich das Insulin leichter anpassen lässt. Zum anderen bekommt man so rasch ein Gefühl für die KE/BE und FPE bestimmter Lebensmittel und Speisen und kann sich dann mit mehr Erfahrung fröhlich und entspannt an Unbekanntes herantasten.

Mahlzeitenfrequenz & Timing

Mit der heute üblichen intensivierten Insulintherapie genießt du viel Flexibilität, was deine Mahlzeiten betrifft. Im Prinzip kannst du essen, was, wo und wann du willst. Deine erlernte Insulin-Selbstanpassung ermöglicht es dir, die Essenszeiten und Insulingaben zu variieren, ohne dass dein Glukosespiegel stark schwanken muss. Du passt die Insulindosis, den Spritz-Ess-Abstand, deine Essgeschwindigkeit und die Zusammensetzung deiner Mahlzeit so an, dass dein Blutzucker im Zielbereich bleibt. Dadurch kannst du beispielsweise

  • Einladungen zum nachmittäglichen Kaffee und Kuchen, zum Abendessen oder zu einer Geburtstagsparty spontan wahrnehmen,

  • mal eine kleine Zwischenmahlzeit einschieben, wenn du Hunger verspürst, oder

  • das Frühstück am Wochenende später als im Arbeitsalltag einnehmen.

Regelmäßige vs. unregelmäßige Mahlzeiten

Gerade in der ersten Zeit nach der Diagnose ist es von Vorteil, wenn du deine Mahlzeiten weitestgehend regelmäßig einnimmst. So kann sich dein Blutzuckerspiegel besser einpendeln. Eine starke Unregelmäßigkeit solltest du auch nach der Eingewöhnungsphase möglichst vermeiden, um übermäßigen Schwankungen des Blutzuckers vorzubeugen.

Idealerweise nimmst du pro Tag drei Hauptmahlzeiten im Abstand von etwa vier bis sechs Stunden zu dir. Eine Zwischenmahlzeit wie einen Kuchen oder einen Energiesnack konsumierst du am besten zwei bis drei Stunden nach dem Mittagessen. Doch wie gesagt spricht grundsätzlich nichts dagegen, die Essenszeiten und -häufigkeiten zu variieren, wenn du gut eingestellt bist.

Insbesondere, wenn du ein AID-System nutzt, gibt es keine Verpflichtung zu zwei oder drei Mahlzeiten. Dein AID-System passt die Insulingaben automatisch deinem Alltag an. Bei einer Pen-Therapie hingegen kann es je nach Basalinsulin notwendig werden, dass du regelmäßig Mahlzeiten zu dir nimmst. Beispielsweise bei Basalinsulinen mit einer kurzen Wirkungszeit (12 Stunden).

Wie sich Mahlzeiten je nach Tageszeit auf den Blutzucker auswirken

Je weiter der Tag voranschreitet, desto stärker lassen Kohlenhydrate den Blutzucker ansteigen. Dies ist bei jedem Menschen so, ob mit oder ohne Diabetes. Unser Körper verarbeitet die Nährstoffe aus Lebensmitteln je nach Tageszeit unterschiedlich. Er folgt dabei seiner "inneren Uhr": Appetitanregende Botenstoffe sowie Enzyme und Hormone - darunter Insulin - sind so aufeinander abgestimmt, dass die Stoffwechselprozesse zum 24-stündigen Tag-Nacht-Zyklus passen. Auch deine Insulinresistenz, also wie sensibel dein Blutzucker auf Insulin reagiert, schwankt über den Tag – am Vormittag ist die Insulinresistenz am höchsten, am Nachmittag/Abend steigt sie auch noch mal leicht an wohingegen sie in der Nacht und gegen Mittag am niedrigsten ist. Sport beeinflusst deine Insulinresistenz ebenfalls.

Das bedeutet in der Praxis:

  • Teile dir deine Mahlzeiten am besten so ein, dass du in der Regel am frühen Abend - zwischen 18 und 19 Uhr - zum letzten Mal isst.

  • Nimm den Großteil deines Tagesbedarfs an Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen möglichst mit dem Frühstück (je nach Insulinresistenz und Bewegungsverhalten am Morgen), Mittagessen und gegebenenfalls einer Zwischenmahlzeit (etwa nach dem Sport) ein.

  • Bevorzuge abends eher leichtere Speisen wie einen gemischten Salat, ergänzt durch Öl, Samen und ein, zwei Scheiben Vollkornbrot, damit du dennoch auch Fett, Proteine und Kohlenhydrate zu dir nimmst, um einer nächtlichen Unterzuckerung vorzubeugen.

  • Verzichte am Abend möglichst auf große Mengen an Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen, um deinen Blutzuckerspiegel über Nacht leichter stabil im Zielbereich zu halten.

Ernährungsformen 'vegetarisch' und 'vegan'

Du willst dich mit Typ 1 Diabetes vegetarisch oder vegan ernähren? Kein Problem! Um kurz den Unterschied beider Ernährungsformen zu erklären:

  • VegetarierInnen konsumieren alles außer Fleisch, Fisch und daraus hergestellten Produkten.

  • VeganerInnen konsumieren nur Lebensmittel, die keine Zutaten tierischen Ursprungs enthalten.

Beispiel: VegetarierInnen essen Produkte aus Kuh-, Büffel-, Schaf- und/oder Ziegenmilch, VeganerInnen nicht. Für Letztere gibt es aber inzwischen eine große Auswahl an Ersatzprodukten wie beispielsweise Milch, Käse und Joghurt aus pflanzlichen Rohstoffen.

Eine vegetarische oder vegane Ernährung ist stark oder komplett pflanzenbasiert. Sie besteht also vornehmlich aus Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse, Salat und frischem Obst. Diese Zusammensetzung kann für Menschen mit Diabetes Typ 1 vorteilhaft sein - vor allem aus zwei Gründen:

  • Durch die vielen Ballaststoffe und komplexen Kohlenhydrate steigt der Blutzucker langsamer an.

  • Pflanzliche Lebensmittel liefern in der Regel große Mengen an Vitaminen und Spurenelementen, die an der Regulation des Blutzuckerspiegels beteiligt sind.

Fleisch und Fisch enthalten viel Protein. Für VegetarierInnen und VeganerInnen ist es daher sehr wichtig, andere gute Proteinquellen zu nutzen. VegetarierInnen können zu diesem Zweck Milchprodukte tierischer Herkunft sowie Eier verzehren. VeganerInnen sollten beispielsweise Tofu, Tempeh, Bohnen, Kichererbsen, Quinoa, Linsen sowie Nüsse und Samen in ihren Ernährungsalltag integrieren, um ausreichend Eiweiß aufzunehmen.

Fisch enthält große Mengen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren - in diesem Zusammenhang sind vor allem Omega 3 und Omega 6 zu nennen. Sie zählen zu den wichtigsten Nährstoffen für unsere körperliche und mentale Gesundheit. Glücklicherweise gibt es aber auch einige pflanzliche Lebensmittel, die diese gesunden Fettsäuren liefern. Dazu zählen etwa Leinöl, Distelöl, Walnussöl, Rapsöl, Sojaöl, Leinsamen, Walnüsse, Pinienkerne und Chiasamen.

Um Mangelerscheinungen vorzubeugen, können bei Bedarf Nahrungsergänzungsmittel helfen. Vitamin B12 beispielsweise ist in veganen Lebensmitteln kaum enthalten. Außerdem nimmt unser Körper Eisen aus pflanzlicher Nahrung schlechter auf als aus tierischen Produkten. Für eine bessere Verwertung empfiehlt es sich, gezielt mehr Vitamin C zuzuführen. Dies ist für Menschen mit Diabetes aufgrund des häufig niedrigeren Vitamin-C-Spiegels ohnehin sinnvoll.

Ernährung im Urlaub mit Diabetes Typ 1

Im Urlaub spielt das Essen eine große Rolle. Wir möchten schließlich nicht nur Land und Leute, sondern auch die Küche kennenlernen. Dem steht nichts im Wege, solange du dich gut vorbereitest.

Ob im Auto, Bus, Zug, Flugzeug oder Schiff: Grundsätzlich solltest du Reisen gut vorbereiten. Für den Weg bereitest du dir am besten zu Hause eine oder mehrere Mahlzeiten vor und nimmst sie mit. So kannst du die KE/BE und FPE genau berechnen und die Insulindosis optimal abstimmen. Dein Körper freut sich generell darüber, wenn du ihn bei der aufregenden Anreise mit bekannten Speisen versorgst.

Veränderung der Insulinversorgung im Urlaub

Oft ist auf Reisen vieles anders. Ein großes, einladendes Buffet im Hotel, ungewohnte Zutaten beziehungsweise Lebensmittel und eventuell auch veränderte Essenszeiten: All das kann erfordern, dass du deine Insulinversorgung während deiner Urlaubstage ein bisschen veränderst.

Wenn du dir bezüglich der Insulindosierung unsicher bist, macht es häufig Sinn, einen kleinen Puffer zu spritzen. Dieser sollte so gewählt sein, dass die Gefahr einer Unterzuckerung gering ist. Bestelle dir für den Notfall einen Fruchtsaft als Backup.

In Restaurants bevorzugst du am besten überwiegend Gerichte, bei denen du die KE/BE und FPE gut abschätzen kannst. Das soll dich jedoch nicht davon abhalten, auch Neues auszuprobieren. Wichtig ist, dass du deinen Blutzuckerspiegel im Auge behältst. Miss ihn circa 1,5 bis zwei Stunden nach jeder Mahlzeit und korrigiere bei Bedarf.

Wein in Italien, Champagner in Frankreich, Bier in England, Ouzo in Griechenland: Denk daran, Alkohol in Maßen und jeweils nur zusammen mit einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit zu genießen. Beachte dabei, dass der Alkoholabbauprozess durch die Leber viel Energie benötigt, wodurch es in den Stunden nach dem Alkoholkonsum zu einem sinkenden Blutzucker-Wert kommen kann. Besonders bei Mischkonsum mit kohlenhydrathaltigen Getränken wie Saft, Energydrinks oder Cola sollte dies bei der Berechnung des Bolus- oder Korrekturinsulins berücksichtigt werden.

Die jeweilige Landesküche schon vor der Reise erkunden

Informiere dich am besten schon vor der Reise über typische Gerichte und Zutaten der jeweiligen Landesküche. Dazu kannst du online recherchieren. Bist du eher der praktische Typ, gehst du einfach in ein entsprechendes Restaurant in deinem Ort und probierst ein Gericht aus, das dich anspricht. Du kannst auch den Kellner oder die Kellnerin nach den Zutaten fragen, sofern diese nicht aus der Speisekarte hervorgehen.

Alles Wissen für die nächste Reise

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