Diabetes Typ 1 und Sport: Die Grundlagen

Frau dehnt sich und schaut in die Ferne

Die erste frohe Botschaft lautet: Du kannst auch mit Diabetes Typ 1 Sport treiben! Und wir haben gleich noch eine zweite gute Nachricht für dich: Du bist bei der Wahl der konkreten Sportart(en) vollkommen frei. Selbst Leistungssport ist mit Typ 1 Diabetes möglich, wie beispielsweise Tennisprofi Alexander Zverev, Fußballprofi Sandra Starke oder Gewichtheber Matthias Steiner eindrucksvoll unter Beweis stellen. Wir reden hier immerhin von Olympiasieger:innen und Weltmeister:innen.

Trotzdem solltest du wissen, dass du als Betroffene:r beim Sport auf ein paar Dinge mehr achten musst als Personen ohne Typ 1 Diabetes. Es ist zum Beispiel unbedingt notwendig, dass du deinen Blutzuckerspiegel konsequent überwachst. Ziel ist es, dass der Blutzucker-Wert während und nach der Bewegung weder zu sehr abfällt noch ansteigt. Starke Unter- und Überzucker sollten unbedingt vermieden werden.

Informiere dich deshalb im Vorfeld über mögliche Auswirkungen auf den Blutzucker im Zusammenhang mit deiner bevorzugten Sportart und übe das Diabetes-Management entsprechend. Dabei solltest du auch Faktoren wie die Intensität, Dauer, Tageszeit, aktives Insulin und die Menge und Art des Essens vor der Bewegung berücksichtigen. Mit dem entsprechenden Wissen und der zunehmenden Erfahrung kannst du einschätzen, wie du die Insulin- und Kohlenhydratzufuhr anpassen musst. Auf diese Weise beugst du einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) und Überzuckerung (Hyperglykämie) gezielt vor.

Und weißt du was? Wenn du erst einmal den Dreh raus hast, kann Sport sogar dabei helfen, deine Zeit im Zielbereich (Time in Range) und deinen Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) zu verbessern. Die Time in Range (TIR) gibt an, wie lange der Blutzuckerspiegel pro Tag prozentual im vorab definierten Zielbereich liegt, also in der Regel zwischen 70 und 180 mg/dl bzw. 3,9 und 10 mmol/l;. Der Langzeitmarker HbA1c spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten zwei bis drei Monate wider.

Unterschied zwischen Sportler:innen mit und ohne Diabetes

Bei Sporttreibenden mit und ohne Typ 1 Diabetes reagiert der Zuckerstoffwechsel jeweils unterschiedlich auf Bewegung:

Grundsätzlich brauchen die menschlichen Körperzellen bei physischer Aktivität zunächst ihre eigenen Kohlenhydrat-Speicher (Glykogen-Depots) auf. Sobald diese Treibstofflager leer sind, greifen sie auf den Zucker im Blut zurück, um die für ihre Arbeit erforderliche Energie zu gewinnen. Dies führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel sinkt.

Der Körper eines Menschen ohne Diabetes hat auf den Blutzuckerabfall sofort eine Antwort parat: In erster Linie steuert die Bauchspeicheldrüse gegen, indem sie weniger Insulin in den Blutkreislauf abgibt. Das ist notwendig, weil Insulin den Blutzucker ansonsten zusätzlich senken würde.

Auch die Leber trägt ihren Teil bei. Sie speichert für physisch stark belastende Situationen Glykogen auf Vorrat, damit es im Bedarfsfall ausgeschüttet werden kann. Die Folge ist, dass den Körperzellen laufend Zucker-Nachschub im Blut zur Verfügung steht.

Sobald eine Person ohne Diabetes Typ 1 ihre sportliche Einheit beendet, trifft ihr Körper einmal mehr die richtige Maßnahme: Die Bauchspeicheldrüse erhöht die Insulinausschüttung wieder entsprechend dem Insulinbedarf. Damit treibt sie die Zellen zusätzlich an, das Glykogen aus dem Blut aufzunehmen, sodass der Blutzucker auf einem guten Niveau bleibt.

Diese Stoffwechselvorgänge gewährleisten, dass der Blutzuckerwert dauerhaft - also auch während des Sports und danach - im optimalen Bereich bleibt. Dadurch, dass die Bauchspeicheldrüse das Insulin und die Leber das Glykogen direkt ins Blut abgeben, kann der Körper eines Menschen ohne Diabetes den Blutzucker in der Regel sehr schnell regulieren.

Bei Menschen mit Diabetes Typ 1 schüttet der Körper das Insulin nicht selbst aus. Er kann den Blutzuckerspiegel somit nicht eigenständig regulieren. Stattdessen muss die betroffene Person durch regelmäßiges Spritzen des Hormons nachhelfen. Im Zusammenhang mit Sport kann es nach der Diagnose und auch später je nach Sportart besonders herausfordernd sein, die ideale Insulindosierung zu finden. Mit ausreichendem Wissen und Erfahrungswerten ist es aber gut zu managen!

Bei Betroffenen steigt der Insulinspiegel im Blut nur durch die aktive Insulinzufuhr von außen an. Dies hemmt die Glukose-Produktion in der Leber. Bei falscher Dosierung (zu viel Insulin) steigt daher auch das Risiko einer Unterzuckerung, weil bei Menschen mit Typ 1 Diabetes die Gegenregulation der Leber ebenfalls nur eingeschränkt funktioniert. Besonders bei sehr anstrengender Bewegung und Sport kann die Gefahr einer Unterzuckerung nach der Bewegung noch für bis zu 48 Stunden bestehen bleiben. Grund dafür ist der sogenannte Nachbrenneffekt. 

Um einer Unterzuckerung vorzubeugen, gibt es mehrere Strategien*:

  • Bolusinsulin (Korrektur / Kohlenhydrate) vor dem Sport anpassen

  • Basalinsulin vor bzw. an den Sporttagen herabsetzen (Achtung: Unterschiede je nach Insulin beachten!)

  • Kohlenhydratzufuhr vor, während und nach der Aktivität erhöhen

  • Kohlenhydrattyp (kurz, mittel, lang) vor, während und nach der Aktivität anpassen

*Wie immer gilt: Alle Anpassungen der Insulindosierung sollten mit dem Diabetes-Team abgesprochen werden.

Welche Maßnahmen für dich die richtigen sind, hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab. Dazu gehören beispielsweise die Art und Intensität der geplanten Sporteinheit, deine Ernährung, aber auch die Uhrzeit, zu der du aktiv bist.

Übrigens: Sport kann bei Betroffenen nicht nur zu einem Sinken des Blutzuckers, sondern auch zu einem Blutzuckeranstieg führen. Vor allem bei hochintensiven, anaeroben Bewegungseinheiten kann das vorkommen.

Chancen für sporttreibende Menschen mit Diabetes

Es hat gute Gründe, dass Mediziner:innen Menschen mit Typ 1 Diabetes raten, Sport zu treiben. Bewegung im Alltag kann sich sowohl auf das körperliche als auch auf das seelische Wohlbefinden positiv auswirken. Wenn du regelmäßig aktiv bist, fühlst du dich fitter und leistungsfähiger.

Natürlich kannst du auch als Betroffene:r durch Sport abnehmen oder Muskeln aufbauen. Dafür ist ein möglichst ausgeglichener Blutzuckerverlauf wichtig. Auch hier gilt: Übung macht den Meister! 

Muskelaufbau mögen einige Menschen vielleicht aus ästhetischen Gründen oder, weil sie sich durch Sport einfach gut fühlen, anstreben. Es hat aber auch gesundheitliche Vorteile, weshalb ein gewisser Aufbau von Muskeln gerade für Menschen mit Typ 1 Diabetes wichtig ist: Vor der Diagnose bauen Menschen durch den erhöhten Blutzuckerspiegel häufig Muskeln ab. Da die Zellen den Blutzucker nicht verarbeiten können, verkümmern die Muskeln sozusagen. Durch eine erhöhte Muskelmasse und regelmäßige Bewegung steigt auch der Grundumsatz und die Insulinresistenz wird dauerhaft reduziert.

Du kannst jedes deiner sportlichen Ziele erreichen!

So gestaltest du dein Training mit Diabetes Typ 1 optimal

Du kannst prinzipiell jede Sportart ausüben, die du willst. Besonders gut geeignet ist zum Beispiel:

Ausdauersport

  • Spazieren, Wandern, Joggen, Nordic Walking, ...

  • Radsport wie Rennrad, Downhill, Mountainbiking, Treckingrad, etc.

  • Wassersport wie Schwimmen, Surfen, etc.

  • Ballsport wie Fussball, Handball, etc.

  • Wintersport wie Skifahren, Snowboarden oder Skitouren

  • Yoga / Pilates

  • uvm.

Kraftsport (Achtung, Kraftsport kann zu Blutzucker-Anstieg führen)

  • Gerätetraining

  • Freihantel- / Eigenkörpergewichts-Training

  • CrossFit, Freeletics, etc.

  • High-Intensity-Intervall-Training (HIIT)

  • uvm.

Bei riskanteren Sportarten wie Ski- oder Skitouren, Klettern, Tauchen oder Fallschirmspringen kann eine Unterzuckerung gefährlich sein. Grundsätzlich kommen solche Aktivitäten aber genauso in Frage. Sie erfordern nur etwas mehr Übung und ein langsames Herantasten. Lerne deinen Körper genau kennen und stelle ihn in puncto Insulin und Ernährung optimal auf den jeweiligen Sport ein.

Aber es muss auch nicht direkt die große Sportsession sein: Je nach Intensität und Dauer hat die alltägliche Bewegung schon spürbare Auswirkungen auf unseren Körper und den Blutzucker. Um ein paar Beispiele zu nennen: 

  • Treppen steigen statt Rolltreppe oder Lift fahren

  • Gehen oder Radeln statt Auto oder Bahn fahren

  • Garten- und Hausarbeit

  • Ausgedehntes Shopping oder Sightseeing

Insbesondere, wenn du sonst viel sitzt - z. B. in der Schule, Uni oder bei der Arbeit, können solch vermeintlich “kleineren” Bewegungen schon ausreichen, um in den Unterzucker zu kommen.

Aber: Bewegung ist gut. Deswegen baue sie ruhig, wann immer möglich, in deinen Alltag ein. Gehe eine Haltestelle zu Fuß. Parke mit dem Auto etwas weiter weg. Oder nimm die Treppe statt den Aufzug!

Um langfristig sehr positive Effekte auf deinen Blutzucker zu erzielen, empfehlen wir etwa drei bis vier Mal pro Woche Bewegung.

Werde im Blutzuckermanagement sicherer und unabhängiger!

Weitere Artikel